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  Kurfürst Moritz und die Schlacht bei Sievershausen von Christoph Zeidler  
     
 

Moritz, Herzog zu Sachsen, des Heiligen Römischen Reiches Erzmarschall und Kurfürst, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen und Burggraf zu Magdeburg, kam am 21. März 1521 zu Freiberg als ältester Sohn Herzog Heinrichs des Frommen zur Welt. An verschiedenen Fürstenhöfen aufgewachsen, erhielt er jedoch keine Bildung im eigentlichen Sinne. Nach dem Tod seines Vaters am 18. August 1541 bestieg er im jugendlichen Alter von 20 Jahren den Thron der Albertinischen Linie des sächsischen Fürstenhauses Wettin. Mit ihm kam nunmehr ein Herrscher zur Macht, der zielstrebig eine frühabsolutistisch-territorialstaatliche Entwicklung in Sachsen einleiten sollte. 

Schon bald zeigte sich seine Veranlagung zu ausgesprochen hoher Selbständigkeit des Urteils und der Entschlusskraft sowie zu überdurchschnittlicher Konsequenz in der Verfolgung selbstgestellter Ziele. Diese bestanden in der Vollendung der Reformation mit den damit verbundenen beträchtlichen Land- und Mittelgewinnen aus der Säkularisierung kirchlichen Besitzes, aber auch in der aktiven Mitwirkung seines Herzogtums bei der jene Jahre bestimmenden Durchsetzung territorialfürstlicher Ansprüche gegenüber der Installation einer erblichen Zentralgewalt. Letztere wurde bekanntlich durch den habsburgischen Kaiser Karl V. als Konsequenz der von ihm vertretenen universalen Auffassung des Kaisertums als dem einzigen Haupt der gesamten Christenheit –ein Reich, ein Herrscher, ein Glaube - angestrebt. 

Das Ziel aller Vorstellungen des jungen Herzogs konnte nur in der Überwindung der nachteiligen Sächsischen Landesteilung von 1485, also auch im Übergang der Kurwürde von der Ernestinischen Linie des Hauses Wettin auf seine albertinische, bestehen. Letzteres war aber nur mit Zustimmung des Kaisers als oberstem Machtherren im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation durchzusetzen. Den Zweck über die Bedenken stellend, stand Moritz nun im Gegensatz zu seinem persönlichen protestantischen Glaubensbekenntnis zunächst auf kaiserlicher, also katholischer Seite. Das brachte ihm nach seiner Teilnahme an der vom Kaiser geführten und gewonnenen entscheidenden Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 sowie der nachfolgenden Wittenberger Kapitulation von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen - seinem Vetter und Führer im protestantischen Schmalkaldischen Bund - die Kurfürstenwürde und Teile des ernestinischen Herrschaftsgebietes ein. Allerdings wurden nicht alle der von kaiserlicher Seite versprochenen und damit erwarteten Zusagen zum Verdruss von Kurfürst Moritz eingehalten. Bestärkt durch diesen Machtzuwachs setzte sich Moritz daher im Bündnis mit König Heinrich II. von Frankreich an die Spitze der evangelischen Fürstenverschwörung und zog mit seiner Streitmacht überraschend gegen Karl V., der auf der Flucht in Tirol nur knapp der Gefangennahme entgehen konnte. 

Der Passauer Vertrag, der am 2. August 1552 zwischen Ferdinand I. für seinen widerstrebenden Bruder Karl und der deutschen Fürstenkoalition unter der Führung von Kurfürst Moritz abgeschlossen wurde, garantierte deren reichsfürstliche Unabhängigkeit. Dieser Sieg der Partikulargewalten zuungunsten einer Zentralgewalt sicherte aber auch zunächst den Bestand der protestantischen Religion. Somit schuf er eine Friedenslösung für das Reich, bereitete aber auch den Ausgleich zwischen den beiden Konfessionen vor, der dann - allerdings erst nach dem Tode des Kurfürsten Moritz - im Augsburger Religionsfrieden von 1555 endgültig fixiert werden konnte. Den nunmehr unabwendbaren Zusammenbruch seines weitgespannten politischen Lebensziels vor Augen, verlies Karl V. die Bühne des politischen Geschehens in Europa: er beendete 1558 in einem spanischen Kloster sein Leben. 

 
     
 

 
  Bild: Moritz von Sachsen: Ölgemälde Lucas Cranach 1578  
     
  Dass sich Moritz, im Widerstreit zwischen konfessionellem Gewissen und Streben nach machtpolitischem Erfolg, anfechtbarer doppelzüngiger Verhaltensweisen bediente, welche ihm vor allem bei protestantisch Gesinnten zumindest zeitweilig eine abschätzige Beurteilung eintrugen, ist angesichts des Erfolges nachträglich als sekundär einzuschätzen. Die überdurchschnittlich hohe politische Befähigung, ein skrupelloses Machtkalkül, eine realistische Zielsetzung und ihre konsequente Verwirklichung durch den jungen Regenten ließen das sächsische Kurfürstentum zur protestantischen Führungsmacht und nächst dem Hause Habsburg zur stärksten politischen Kraft in Deutschland aufsteigen.


Dem außenpolitischen Eingriff in die Reichspolitik mit gravierenden Konsequenzen für die gesamte europäische Geschichte standen aber auch zahlreiche weitreichende Reformen im Inneren seines Herrschaftsgebietes zur Seite: die Bildung eines neuen Hofrates, die damit in Zusammenhang stehende neue Kanzleiordnung, die Neuordnung des Gerichtswesens, eine Reorganisation der Ämter und eine veränderte administrative Kreiseinteilung, die Reform der Leipziger Universität sowie die Gründung der Fürstenschulen zur Heranbildung befähigter Beamter stehen für vieles andere. Letztlich sind noch der aufwendige Ausbau des nunmehr erweiterten Residenzschlosses in der als Regierungssitz dienenden Stadt Dresden sowie die Bildung der Hofkapelle als zukunftsweisende Aktivität zu erwähnen. Gleiches gilt für die in bastionärer Manier realisierten Neubefestigungen der Städte Dresden und Leipzig als Präventivmaßnahme angesichts der möglicherweise zu erwartenden kriegerischen Auseinandersetzungen als Folge des Reformationsgeschehens sowie des Vordringens der Türken.

Die zwölfjährige Regentschaft von Moritz ist neben zahlreichen Aktivitäten für seine sächsischen Lande vor allem durch seine umfangreichen außenpolitischen und religionswirksamen Leistungen gekennzeichnet: fraglos reifte er dadurch zu einer Schlüsselfigur der deutschen Politik jener Jahre heran. Umso mehr muss es bedauert werden, dass er in einem Reitergefecht von untergeordneter geschichtlicher Bedeutung auf dem Schlachtfeld seinen Tod fand.
Nach dem 1552 in Passau vereinbarten Vertrag bestand für die oppositionellen Reichsfürsten die Notwendigkeit, nunmehr auch ohne den Kaiser eine dauerhafte Friedenssicherung zu erreichen. Der der fränkischen Linie des Hauses Hohenzollern angehörende Markgraf Albrecht Alcibiates von Brandenburg-Kulmbach – den Beinamen erhielt er wegen seiner kriegerischen Aktivitäten nach dem vorchristlichen Athener Staatsmann und Feldherrn Alcibiates – hatte die Koalition der Kriegsfürsten gegen Karl V. zunächst unterstützt. Zu Abenteuern geneigt und zum Machterwerb strebend verweigerte er nicht nur seine Zustimmung zu dem Passauer Vertrag, sondern suchte raubend und plündernd seinen eigenen Vorteil in einer territorialen Expansionspolitik. Diese richtete sich vor allem gegen die Bistümer in seiner fränkischen Nachbarschaft sowie auch gegen die freie Reichstadt Nürnberg. Moritz als erfolgreicher Kriegsherr sah sich deshalb als erster herausgefordert, dem Landfriedensbrecher in Durchführung der erlassenen Reichsexekution Einhalt zu gebieten.
Das entscheidende Gefecht begann am 9. Juli 1553 in der Mittagsstunde auf einem Areal zwischen mehreren dörflichen Ansiedlungen bei Sievershausen, einem im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel zwischen Lehrte und Peine gelegenen Dorf. Dabei standen den ca. 15000 Mann - 7000 Berittene und 8000 Fußknechte - auf kurfürstlicher Seite insgesamt ca. 17000 Mann auf der gegnerischen markgräflichen Seite gegenüber. Der bis in die Nachtstunden währende Kampf, bei dem bis 3000 Tote und mehr als 4000 Gefangene gezählt wurden, endete siegreich für den allerdings verletzten Kurfürsten. Die im Schlachtgetümmel erlittene Verwundung - ein aus nächster Nähe abgefeuerter Schuss eines Faustrohres hatte die Rüstung in der Lendengegend durchschlagen – hielt man zunächst für ungefährlich. Als aber am Nachmittag des 10. Juli seine Schmerzen zunahmen, musste man nun wohl das Schlimmste befürchten. Bereits am Abend der Schlacht hatte der Kurfürst seinen Hofprediger Johannes Weiß zu sich kommen lassen, der ihm dann in der Nacht zum 11. Juli das Abendmahl in beiderlei Gestalt reichte. Als ihn Weiß zuletzt bat, er möge ihm ein Zeichen dartun, wenn er als ein gläubiger Mensch sterben wolle, konnte er nur noch durch schwaches Kopfnicken seine Zustimmung geben. Später richtete er sich noch einmal ein wenig auf, neigte sich dann aber kurz darauf zur Seite und verschied. Der Tod trat kurz nach 8 Uhr am Vormittag des 11. Juli 1553 ein, so dass Moritz seine Lebensbahn im Alter von 32¼ Jahren auf dem Höhepunkt seiner Macht beschloss.

Et morte, triumphans – Obgleich gestorben: Er hat gesiegt! So äußerten sich seine trauernden protestantischen Glaubensgenossen über die zwar gewonnene Schlacht, aber das verlorene Leben ihres Anführers, der für sie berechtigterweise die Rettung des Protestantismus verkörpert hatte.
Aber auch katholische Fürsten bewunderten ihn als den Befreier von der spanisch-habsburgischen Fremdherrschaft. Nur wenige bewahrten ihren Hass bis über das Grab hinaus. Neben Johann Friedrich dem Mittleren machte verständlicherweise auch Markgraf Albrecht aus seiner Freude über den Fall des Gegners keinen Hehl. Bei Braunschweig am 12. September nochmals geschlagen und bald darauf vom Kaiser erneut geächtet, floh letzterer 1554 über Frankreich 1556 wieder nach Deutschland. Er verstarb schon Anfang 1557 im 35. Lebensjahr in Pforzheim.
Selbst Kaiser Karl V. drückte in einem Beileidsschreiben seine Anerkennung für die ritterliche Tapferkeit des gefallenen Kurfürsten aus; aber im Innersten war er wohl froh, von diesem unberechenbaren Gegner endgültig befreit worden zu sein. 

Während der Schlacht dürfte möglicherweise bereits Verrat im Spiele gewesen sein, da der Hohenzollernmarkgraf, obwohl bereits gefangen und wohl auch leicht verletzt, wieder entkommen konnte. Auch hielt sich hartnäckig die Vorstellung von einer Unachtsamkeit der eigenen Leute. So blieben die Umstände des Ablebens von Kurfürst Moritz zweifelhaft, eine allseits überzeugende Klärung konnte niemals gefunden werden. 
Der unerwartete Tod des Kurfürsten brachte die kursächsische Seite natürlich in eine schwierige militärische und politische Situation. Diese konnte jedoch durch geschicktes Handeln seines Nachfolgers Kurfürst August in den nächsten Jahren zum Vorteil für den Reichfrieden, für die albertinischen Wettiner sowie die protestantische Glaubensrichtung gelöst werden. 

Das Herz und die Eingeweide des Verstorbenen wurden in der dörflichen Martinskirche von Sievershausen unter dem Taufstein beigesetzt. An der Südwand des Kirchengebäudes erinnert noch heute eine in Stein gehauene Inschrift aus dem Jahr 1573 als das ältestes Zeugnis der Schlacht vor Ort an das Geschehen vom 9. Juli 1553 und die Hauptakteure Herzog und Kurfürst Moritz zu Sachsen, Herzog Heinrich den Jüngeren zu Braunschweig und Lüneburg sowie Albrecht Markgraf zu Nürnberg. An den Ort des Schlachtfeldes, da Moritz die todbringende Verwundung erhielt, erinnert zudem auch ein im Jahre 1853 errichtetes steinernes stelenartiges Denkmal
 
     
   
  Foto: AxelHH, Wikipedia  
     
  Zwei Tage nach dem Tod des Kurfürsten erfolgte der Aufbruch der Sachsen vom Schlachtfeld. Begleitet von fünf Geschwadern der Reiterei und der Truppenhauptfahne wurde der Sarg mit dem präparierten Leichnam des Verewigten über Halle und Leipzig am 22. Juli nach dem sächsischen Freiberg überführt. Am 23. Juli in feierlichem Zuge nach der Begräbniskapelle des Domes, der Grabstätte Heinrichs des Frommen, geleitet, senkten ihn Bergknappen - dem letzten Willen des Verschiedenen gemäß - zwischen dem Vater und dem früh verstorbenen Söhnlein ein. Dort erhebt sich in der Mitte des Chores seit 1563 das im Auftrag seines Bruders, des Kurfürsten August, errichtete monumentale Kenotaph, das Freiberger Moritzmonument: ein imponierendes Werk, das auf dreigeschossigem, sich nach oben jeweils verjüngendem Unterbau die Marmorgestalt des Kurfürsten in voller Rüstung, kniend und den Gekreuzigten anbetend, trägt. Dieses ambitionierte, dynastische Grabmal von europäischem Rang entstand als Gemeinschaftsleistung zahlreicher Künstler. Der Entwurf stammt von den Gebrüdern Gabriel und Benedikt Tola, die Hauptleistung der Ausführung lag in der Hand des Bildhauers Anton von Zerroen aus Antwerpen. Wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt in Teilen verändert, kündet das aufwendigste Grabmonument, das jemals für einen wettinischen Fürsten errichtet worden ist, noch heute von der unbestreitbaren Bedeutung des Beigesetzten, von Kurfürst Moritz von Sachsen. CZ  
     
  Anmerkung:
Wiedergabe des ersten und zweiten Teils des am 4.10.2017 in der Piatta Forma gehaltenen Vortrages. 

Literatur:

Sturmhöffel, K.: Illustrierte Geschichte des Albertinischen Sachsen, Bd. 2/1; Leipzig 1908

Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Glaube und Macht/Sachsen im Europa der Reformationszeit, Katalog der 2. Sächsischen Landesausstellung in Torgau; Dresden 2004

Zeidler, Chr.: Eine neue Attraktion in den Kasematten (Moritzmonument) in 
KG 3/2002 sowie 
Zeidler, Chr.: Das Dresdner Moritzmonument – Geschichte, Literatur in
KG2/2017

Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Kurfürst Moritz und die Renaissance, (Dresdner Hefte Nr. 52); Dresden 1997

Thieme, A./Vötsch, J.: Hof und Hofkultur unter Moritz von Sachsen; Beucha 2004. Darin insbesondere Rudersdorf, M.: Moritz von Sachsen – Zur Typologie eines deutschen Renaissancefürsten zwischen Renaissance und Reformation. 

 

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