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"Die Schlacht von Sievershausen und die Legende von der Ermordung Moritz von Sachsen durch Georg von Karras" von Olaf Knoll | ||||
Im Winter 1552 sandte Kurfürst Moritz Vollradt von Mansfeld, der zu diesem Zeitpunkt immer noch im Dienste des Französischen Königs Heinrich II. war, nach Frankreich, um den Vertrag – als Defensivbund 1551 geschlossen – zu bekräftigen und die von Moritz an Heinrich II. zugesagten Truppen von 4.000 Mann zu Pferde und 12.000 zu Fuß nach den Niederlanden zu führen. Moritz war sehr wohl entschlossen diesen Kriegszug in die Niederlande anzuführen, er hatte bereits veranlasst, dass Leute ausgesandt wurden, um den Weg zu untersuchen, insbesondere Furten und Pässe festzulegen, die im Voraus einzunehmen waren. Zuvor musste er aber die durch Markgraf Albrecht Alcibiades im 2. Markgrafenkrieg verursachten Unruhen im Reich beenden und ihn auf seinem Weg ins Braunschweigische stellen. Das von Moritz angeführte bundesdeutsche Heer erhielt Unterstützung von Ferdinand I., den fränkischen Bischöfen und Heinrich von Braunschweig, die als die größten Verfolger der Protestanten im Deutschen Reich galten. Sehr verwunderlich, wenn Ferdinand I., Bruder Karl V., den Kurfürsten mit Kriegsvolk unterstützte, Albrecht Alcibiades aber den Segen des Kaisers erhielt, obwohl er die Evangelischen in Niederdeutschland in Schutz nahm und offensichtlich „nach einer popular-protestantischen Macht trachtete“. Sicherlich verfolgte der Kaiser mit dieser Unterstützung Albrechts das Ziel einer Anarchie im Reich und der gegenseitigen Schwächung der Fürsten. Der moralische Vorteil von Moritz war allerdings, dass er entgegen der Position des Markgrafen – der raubend und brandschatzend das Land verwüstete - den Landfrieden und den bestehenden Besitz verteidigte. Albrecht verfocht Ansprüche, die er mit Gewalt erworben hatte und somit vor keinem Gerichtshofe zu Recht bestehen und auch nicht durch die Einwilligung des Kaisers eine Rechtsgrundlage erhalten konnten. Wenn der Kurfürst siegte, so war das Ansehen des Kaisers im Reich vollends vernichtet. Wenn es dann noch zu dem besprochenen Unternehmen gegen die Niederlande gekommen wäre, so wäre die Grundlage seiner Macht absolut erschüttert worden. Schlug allerdings Albrecht Alcibiades Moritz aus dem Felde, so hätte ein Sturm auf alle Bistümer eingesetzt, alle in den letzten Kriegen erworbenen Besitztümer wären in Frage gestellt worden und alle Feinde des Kurfürsten Moritz hätten sich gegen ihn erhoben. Unter diesen Gegebenheiten rückten die Kriegsgegner im Juli 1553 widereinander. Zuvor musterte Moritz seine thüringische und meißnische Ritterschaft zu Halle, Merseburg und Sangerhausen - sehr wahrscheinlich befand sich unter den meißnischen Rittern auch Georg von Karras, ein angesehener Lehensherr, dessen Haupteinflussgebiet im Elbtal zwischen Meißen und Dresden lag -, um sich dann in Sangerhausen zu sammeln und anschließend ihren Weg nach dem Eichsfeld zu nehmen. Erst in Gieboldehausen stießen die fränkischen und in Einbeck die braunschweigischen Scharen zu dem bundesdeutschen Heer, das nun über achttausend Mann zu Fuß und achteinhalbtausend Reisige (Ritter) verfügte, eingeschlossen tausend böhmische Reiter, die Heinrich von Plauen im Auftrag Ferdinand I. heranführte. Markgraf Albrecht Alcibiades befand sich vor „dem festen Hause Petershagen“, an der Weser, nördlich von Minden, gelegen. Da er überzeugt war, dass er dem kurfürstlichen Heer nicht gewachsen war, denn nur mit seinem Fußvolk sah er sich seinem Feinde gegenüber ebenbürtig, seine Reiterei mit nur dreitausend Mann war deutlich in der Unterzahl. Aus diesem Grund fasste er den Entschluss Moritz an günstiger Stelle in seinem Rücken auszuweichen und sich durch das Stift Magdeburg auf das Kurfürstentum Sachsen zu stürzen. Diese Gefahr erkennend, veranlasste Moritz die Furt in der Nähe von Sievershausen zu sichern, die Albrecht nehmen musste, um nach dem Magdeburgischen zu gelangen. In einem seiner Briefe heißt es hierzu „er muss weichen oder er muss schlagen“. Moritz war voller „Schlachtbegier“, die ihn immer ergriff, wenn der Feind sich näherte. Er wurde mit einem Kriegsross verglichen, das nicht mehr zu halten war, wenn er das wiehern der feindlichen Pferde gehört hat. Dies war auch der Grund, weshalb Moritz den Beschluss des Kriegsrates missachtend, die günstige Stellung aufgab, die man eingenommen hatte, um den Feind zu stellen, und sich diesem entgegenwarf. Mühelos warf er eine Abteilung des markgräflichen Fußvolkes über den Haufen. Dies verschaffte Albrecht Alcibiades einen Vorteil, weil durch das Vorpreschen von Moritz die kurfürstliche Schlachtordnung gestört wurde. Nun rückte der Markgraf vor und drang in die kurfürstliche Reiterei ein, durch aufgewirbelten Staub unterstützt, der den Reitern in die Augen trieb. So konnte er die Furt, an der ihm sehr gelegen war, einnehmen. Nun stürzten sich der Kurfürst und Herzog Heinrich mit den besten Rittern unter den Hoffahnen von Braunschweig und Sachsen auf den markgräflichen Haufen, so kam es an dem engen Ort zu einem stürmischen Zusammentreffen, in dem mit viel Erfolg Büchsen und Pistolen zum Einsatz kamen. Manch einer wusste nicht, ob er Feind oder Freund getroffen hat. „In dem wilden Getümmel des Reitergemenges – man wusste nicht, ob nicht gar aus einem Rohr seiner eigenen Leute – war Kurfürst Moritz von einer Kugel getroffen worden“. |
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Wurde Moritz von eigenen Leuten erschossen, oder gar wie eine Legende es behauptet von dem Ritter Georg von Karras aus Coswig? In Böttigers Geschichte des Kurstaates und Königreichs Sachsen, Teil 1, Seite 557 findet man die Abschrift eines Zettels, der sich unter den Papieren des Freigutes zu Coswig befunden haben soll (siehe unten im Original). In diesem wird berichtet, „dass Kurfürst Moritz das Gut Coswig von einem von Karas durch Tausch erworben und dessen Sohn als Pagen zu sich genommen habe, welcher sodann später aus Verdruss über diesen Tausch und von dem Kurfürsten persönlich durch eine Ohrfeige beleidigt, denselben in der Schlacht bei Sievershausen meuchelmörderischer Weise und dies so dann erst drei Tage vor seinem in Coswig erfolgtem Tode, seinem Beichtvater gestanden habe“. Nach dem Ableben des Georg von Karas soll der Beichtvater Kurfürst August hiervon in Kenntnis gesetzt und ihm anheimgestellt haben, ob – wie vom Verstorbenen verlangt – diese Begebenheit auf seinem Grabstein verewigt werde, was auch geschehen sein sollte. Um diese Aussagen in der Abschrift des Zettels richtig einordnen zu können, müssen die dargestellten Ereignisse entsprechend ihrer zeitlichen Übereinstimmung beurteilt und geprüft werden. Im Jahre 1421 wird Thamme Karas – die Schreibweise des Namens variiert zwischen Caraz, Carras, Karis, Caras und Karas – Als Lehensherr von Coswig erwähnt. Heinrich, Nickel und Georg von Karas wurde 1467 durch den Meißner Bischof mit „Coßwigk, Köthewitz und das wüste Dorf Pannewitz“ belehnt. Im Lehenbuch von Kurfürst Moritz findet sich nur eine Urkunde mit Datum vom 12.11.1549, in der die Einkünfte des Benno Karas aus dem Maxener Gut als Lehen genannt worden. Die gänzliche Gehaltlosigkeit der in jenem Zettel angeführten Tatsachen und dargestellten Behauptungen, neben der berichteten Ermordung Kurfürst Moritz, wird bei weiteren Nachforschungen offenkundig. Denn das Gut Coswig ist nicht durch Kurfürst Moritz von denen von Karras erworben und ist auch nicht von Ihm durch Tausch akquiriert worden. Denn diese Erwerbung ist nicht zu Zeiten von Kurfürst Moritz, sondern durch Kurfürst August im Jahre 1556 erfolgt. Hierzu existiert im ehemaligen Archiv des Königlich-Sächsischen-Finanzministeriums ein besonderes Aktenstück (Rep. XXII. Moritzburg Nr. 5) – nun sicherlich im sächsischen Staatsarchiv - woraus sich ergibt, dass die Güter Coswig und Zschaschendorf von den Gebrüdern Georg und Hans Karras an Kurfürst August für 18.458 Gulden verkauft worden sind. Nach der in den angeführten Akten befindlichen Original-Urkunde (Blatt 42) ist dieser Kauf am Tage Petri und Paul (29. Juni) 1556 abgeschlossen worden. Somit konnte bei dem angeblichen Mörder von Kurfürst Moritz ein Verdruss über diesen Kauf gar nicht vorhanden sein. Im Aktenkonvolut dieses Grunderwerbes ist aber eine Streitigkeit zu finden, die belegt, dass die Besitzer von Coswig mit der kurfürstlichen Kammer Streitigkeiten ausgefochten hatten. Herzog Georg der Bärtige hatte nämlich 1502 beurkundet, dass Georg Karras die Ritterdienste erlassen werden, wenn er die Jagd im Spar aufgibt. Durch Ausdehnung der kurfürstlichen Jagd auf dem Grund und Boden der Karras waren seit 1543 Reibereien entstanden, die durch eine benannte Kaufsumme in Höhe von 1.000 Thalern für die geschmälerte Jagd ausgeglichen wurden. Das Anliegen, welches in dem oben genannten Zettel, das Kurfürst August anbefohlen habe, die Geschichte der Ermordung Kurfürst Moritz während der Schlacht bei Sievershausen durch Georg von Karras auf den Leichenstein desselben bei der Kirche zu Coswig eingravieren zu lassen, findet ebenfalls keine Bestätigung. Hierzu finden sich weder im Kirchenarchiv noch im Haupt-Staats-Archiv Hinweise und auch nicht in der Agende (Kirchenbuch) der Coswiger Kirche. Auch konntet weder im Kirchhof noch an oder in der Kirche ein derartiger Leichenstein nachgewiesen werden. Die Coswiger Kirche wurde übrigens im Jahre 1496 von Nickel Karras und seiner Frau Anna gestiftet, eine der schönsten Dorfkirchen in Sachsen, sie besitzt noch bedeutende Spuren aus ihrer Errichtungszeit, noch heute befindet sich über dem Eingangsportal das Wappen der von Karras mit der Inschrift: „Niklas Karras 1497“. |
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Da in der alten Agende kein Hinweis auf die Ermordung des Kurfürsten Moritz in Sievershausen durch Georg von Karras zu finden ist und die geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Bemerkungen eines späteren Pfarrers glaubhaft seien, muss diese Nachricht bezweifelt werden, zumal erst nach Moritzens Tod jener Kauf erfolgte, der Ursache für die Ermordung des Kurfürsten sein sollte. Wenn wahrhaftig Karras den Mord seinem Pfarrer in Coswig gestanden haben soll und hierüber von diesem mit Kurfürst August korrespondiert habe, so wären diese Tatsachen dem Pfarrer sicherlich so bedeutsam gewesen, dass er diese in jener alten Agende neben jener vom Pfarrholze verzeichnet hätte. In H.E. Schwarzes vollständige Jubel Akten des Religion Friedens von 1756 findet sich hierzu folgender Hinweis: Nicol Karras, der Erbauer der Kirche, habe testamentarisch der Pfarre ein Stück Wald für Feuerholz vermacht, das dessen Söhne Georg und Matthes abgeholzt und daraus eine Schafweide gemacht hätten, und als so dann dessen Erben Georg und Hans Karras das Gut an den Kurfürsten verkauften, so hätten sie für diesen Schaden 50 Taler geben müssen. Dies sei in einer alten Agende von 1557 aufgeführt, deren Existenz aber nicht mehr nachweisbar ist. So alt dies Legende zu sein mag, so wenig ist sie doch begründet. Fest steht allerdings, dass Ritter Georg von Karras im Gefolge des Kurfürsten Moritz an der Schlacht von Sievershausen beteiligt war. Durchaus möglich ist es auch, dass bei dem durch das vom Kurfürsten verursachte „Reitergetümmel“ versehentlich die Karrassche Kugel Moritz traf, die ihn tötete. Wenn sich Karras dieser Tat bewusst war, dann musste ihn Zeit seines Lebens das schlechte Gewissen schwer geplagt haben und ihn am Ende seiner Tage zu der Beichte gegenüber seinem Pfarrer veranlasst haben. Vielleicht hat Karras auch vor seinem Tod diese Tat gegenüber einem Vertrauten gestanden und so ist einiges durchgesickert und daraus diese Legende dann entstanden. Wir werden die wahren Umstände, die zum unmittelbaren Tod des Kurfürsten Moritz führten nicht mehr aufklären können, diese werden für immer im Dunkel der Geschichte versunken bleiben. |
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Was weist heute noch neben der Kirche in Coswig, eine der schönsten alten Dorfkirchen Sachsens, auf die Familie der von Karras hin? Das ist der Standort der ehemaligen Wasserburg, die sich nordöstlich der Kirche befand und heute von einer Villa aus dem 19. Jahrhundert überbaut wurde, in der sich seit 1996 das Karrasburgmuseum Coswig befindet. Olaf Knoll |
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Literatur: Dr. Friedrich Albert von Langenn: Moritz herzog und kurfürst zu Sachsen, Eine Darstellung aus dem Zeitalter der Reformation, 1841 C.W. Böttiger: Geschichte des Kurstaates und Königreich Sachsen, Band 1, Hamburg 1830 Karl Lamprecht: Deutsche Geschichte, Zweite Abteilung, Neuere Zeit, Erster Band, Zweite Hälfte, Gesammelte Werke Bd. 5.2., Berlin 1912 Rankes Meisterwerke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 5. Band, München und Leipzig 1914 Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Dresden, 1855 H.E. Schwarze: Vollständige Jubelakten des Religion-Friedens, Leipzig 1756, 8. Teil S.779 |
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